Test: Glasflügel Standard-Libelle 204

Text und Fotos: Dieter Schmitt
Es ist sicher ein schwieriges Unterfangen, nach dem Grund zu forschen, warum sich bestimmte Segelflugzeugtypen einer besonders auffallenden Beliebtheit und daher einer bedeutenden Verbreitung in der ganzen Welt erfreuen. Dies um so mehr, weil es eine Tatsache ist, daß ihre Konkurrenzmuster ebenfalls in die Spitzenklasse gehören, und zwar in jeder Hinsicht. Bei den Standardseglern in GFK-Bauweise kann man die obigen Betrachtungen auf die Standard-Libelle beziehen. Ende des Jahres 1973 wird die 500. Maschine dieses Typs ausgeliefert sein. Nicht mitgezählt sind natürlich jene H-301 Libellen, die - als kleinste Maschinen der Offenen Klasse mit Wölbklappen, aber nur 15 m Spannweite - noch heute beliebt sind und durch ihre Erfolge die günstige Auslegung der Standard-Libelle mit beeinflußt haben. Allein von der H-301 Libelle haben über 100 Maschinen die Werkhallen in Saulgau verlassen.

Ich selbst konnte die weltweite Verbreitung der Libellen mit Verwunderung registrieren, denn ich traf auf sie in allen Erdteilen, sogar auf Neuseeland und Hawaii. Gern nahm ich die Einladung der Firma Glasflügel an, den Prototyp der neuen Standard-Libelle 204 in Saulgau nachzufliegen. Schon auf den ersten Blick erkennt man den deutlichen Unterschied zur bisherigen Standard-Libelle 201 und stellt eine Ähnlichkeit mit dem größeren Kestrel fest: vorn die eingestrakte Haube und hinten das T-Leitwerk. Allerdings war die Maschine, die mir zur Verfügung stand, ein Prototyp, und so sind denn auch für die Serienproduktion einige Änderungen vorgesehen - sofern bis Ende 1973 die endgültige Serienentscheidung fällt. Sie wird, wenn dieser Bericht erscheint, wohl schon gefallen sein. Es ist nur noch abzuwarten, ob auftriebserhöhende Klappen für die Standardklasse eingeführt werden oder nicht. Die im Prototyp zur Anwendung kommenden Klappen sind in ihrer Art nicht neu, jedenfalls aber nicht auftriebserzeugend. Es sind Drehklappen an der Flügelhinterkante, wie sie schon verschiedentlich bei anderen Typen zum Einbau gelangten, zum Teil dann aber wieder zugunsten von Schempp-Hirth-Klappen getauscht wurden. Bei der Auslegung des Prototyps 204 wurden die Drehklappen bis zur größtmöglichen Spannweite verlängert, nämlich vom Rumpf bis zu den Querrudern. Damit konnte von vornherein mit einer guten Wirksamkeit im Vergleich zu bisherigen Auslegungen gerechnet werden. Ansonsten hat man in Schlattstall die bewährte Bauweise aller dort gebauten Typen und hierbei besonders diejenige der bisherigen Standard-Libellen 201 zur Anwendung gebracht. Als Flugzeug der Standardklasse hat sie natürlich einen zweiteiligen Flügel, dessen Aufbau mit seinen Holmgurten aus parallelen Glasfasern nach dem HH-Verfahren und der GFK-Hartschaumschale ja bekannt ist. Die Holmstege bestehen aus GFK-armiertem Balsaholz. Querruder und Drehklappen haben innenliegenden Antrieb.
Am grundsätzlichen Aufbau des Rumpfes hat sich nichts geändert, so daß wir es wieder mit einer reinen GFK-Schale zu tun haben, die durch eingeharzte GFK-Hohlprofile im Bereich hinter dem Flügelanschluß versteift ist. Natürlich ist das Fahrwerk einziehbar, und es stehen Schwerpunkt-und Bugkupplung zur Verfügung. Noch ist die eingestrakte Haube zweiteilig aufgebaut wie beim Kestrel; für die Serie ist jedoch eine sehr große, aber einteilige Haube vorgesehen, die nach rechts klappbar ist. Von allen Möglichkeiten dürfte das die günstigste sein. Das völlig neue Leitwerk besitzt nun die oben als Endscheibe aufgesetzte Höhenflosse, deren Ruder automatisch angeschlossen wird. Auch das gesamte Leitwerk besitzt innenliegende Antriebe. Der bei Flugzeugen von Glasflügel berühmte Kabinen-, Bedien- und Wartungskomfort ist auch bei der neuen Maschine standardmäßig. Hierzu gehören die im Fluge verstellbaren Seitenruderpedale (10 Rasten) und eine in elf Positionen verstellbare Rückenlehne, einzeln aufblasbare Kniestützen, eine Gepäcktasche, die als Nackenstütze dienen kann, und eine exzellente Lüftungsanlage. Das Instrumentenbrett mit seinen vier GFK-Ausgleichgefäßen ist für bessere Kontrolle und Montage abnehmbar. Alle Kabel und Leitungen einschließlich einer Kupferdruckleitung für die Sauerstoffanlage sind bereits verlegt. Dazu gehören natürlich auch der sehr lange Anschluß zur Druckentnahme an der Seitenflosse und das Antennenkabel für die in der Seitenflosse bereits montierte Antenne. Halterungen für die komplette 02-Anlage, Batteriekasten und Höhenschreiber sind ebenfalls vorgesehen, so daß nach Übernahme einer neuen Maschine nicht gebastelt werden muß. Auch der beliebte Hebel für eine mühelose Schnellmontage beim Zusammenziehen der beiden Zunge-Gabel-Holmanschlüsse fehlt nicht, so daß das Flugzeug auf seiner Anhängerauflage von nur zwei Mann montiert werden kann. Ein eingefuchstes Zwei-Mann-Team hat dies schon in nur 75 Sekunden geschafft. Die automatischen Anschlüsse der neuen Drehklappen, Querruder und des Höhenruders (wie Kestrel) machen diese echte Schnellmontage mit nur einem Hauptbolzen nicht nur glaubhaft, sondern zu einem für alle Hersteller allgemein anzustrebenden Vorbild. Der Prototyp war außerdem noch mit einer Wasser-Ballastanlage von 2x 35 l ausgerüstet, die als Standardausrüstung geplant ist. Der Ballast wird in Plastiksäcken in der Flügelnase untergebracht und kann mit einem leicht zu erreichenden, zentralen Ablaßhahn durch den Fahrwerkschacht schnell abgelassen werden. Da mir nicht nur die Libellen aller Variationen und auch alle anderen Glasflügeltypen der Offenen Klasse gut bekannt sind, sondern auch weil ich schon einige Prototypen geflogen habe, war mir die neue Maschine mit den typischen Ausrüstungsdetails nicht fremd.
Wir schoben den Vogel aus der vollen Montagehalle in Saulgau hinaus an den Start. Die Septembersonne lockte sicher noch alle Urlauber und Spaziergänger, aber für uns Segelflieger war bei der stabilen Lage nicht mehr viel zu erwarten, und ich vermutete, daß ich mich bei der verminderten Aufheizung wohl ganz schön würde quälen müssen, um überhaupt oben zu bleiben. Ich nahm mir genügend Zeit, um mich gut zu installieren - man hat auch wirklich alle Möglichkeiten, um sich ganz individuell zurechtzuräkeln. Wie bei allen anderen Glasflügeltypen sind die Bedienorgane ausgezeichnet plaziert und leicht erreichbar. Das Instrumentenbrett bietet aber mehr Raum als bei den bisherigen Libellen. Leider bringt die breite Mittelkonsole aber einen Nachteil, der mir auch beim Kestrel und bei der 604 schon aufgefallen war: Obwohl genügend Platz im Bereich der Seitensteuerpedale vorhanden ist, um die Position der Fußspitzen etwas nach außen zu verlegen, wurde dies nicht voll ausgenutzt, so daß sich eine leichte O-Beinstellung ergibt. In den ersten beiden Stunden wurde ich nur einige Male darauf aufmerksam, aber danach empfand ich es als unangenehm. Das ließe sich mit Leichtigkeit ändern.
Endlich konnte ich das Zeichen zum Anschleppen geben; ich hatte aber außerdem Funkkontakt zur Schleppmaschine. Die Robin zog kräftig an, so daß ich bald genügend Ruderwirksamkeit hatte. Nach wie vor kommt diese aber beim Anschleppen etwas später als bei vergleichbaren Typen. Wir hatten vereinbart, mich auf 3000 m über Platz zu schleppen, und so zog mich die erstklassige Schleppmaschine schnell hinauf in den blauen, wolkenlosen Herbsthimmel. Nach Erreichen der Sicherheitshöhe hatte ich sogleich das Fahrwerk eingezogen. Der Hebel an der rechten Bordwand liegt handgerecht und erfordert zur Bedienung nur geringe Handkräfte. Besonders im Schlepp fällt die außerordentliche Empfindlichkeit des Höhensteuers auf, die auch im Freiflug als übersensibel gelten muß. Ansonsten liegt die Maschine gut im Schlepp, und die Sicht nach den Seiten ist ausgezeichnet - nach vorn über das Instrumentenbrett ist sie nur Durchschnitt. Die ausgezeichnete Manövrierbarkeit um alle Achsen ist auch im Freiflug festzustellen. Das sensible Verhalten im Schlepp ist nicht unangenehm, doch verwundert es deshalb, weil mit Bugkupplung geschleppt wird. In meiner günstigen Höhe flog ich gleich mein Programm mit Überziehversuchen. Mit Leichtigkeit hatte ich die Maschine auf ihre Gleichgewichtsgeschwindigkeit von 85 km/h getrimmt.
Diese Federtrimmung für das Höhenruder ist bei allen Flugzeugen aus Schlattstall gleich und nach meinen umfangreichen Kenntnissen die beste manuelle Höhentrimmung der Welt - mit Abstand! Sie wirkt straff über den gesamten Geschwindigkeitsbereich und wird nur mit dem kleinen Finger durch Drücken auf einen kleinen Knopf am Knüppelgriff bedient. Durch ein ausgeklügeltes Federsystem wird dabei immer die richtige Vorspannung erzeugt, die beim Lösen des Knopfes die betreffende Knüppelhaltung ohne Steuerdruck ermöglicht. Eine außen am Knüppel montierte Zahnscheibe wird dabei über eine Zahnstange angetrieben, und ein dazugehöriger kleiner Hebel läßt durch seine Stellung nicht nur eine optische Kontrolle zu, sondern man kann durch Verstellen dieses Hebels für irgendeine gewünschte Trimmstellung eine Vorwahl treffen. In jedem Fall kann aber durch Drücken auf den Trimmknopf der gewünschte Vorgang vorgenommen werden, ohne die Hand vom Knüppel nehmen oder mit der linken Hand einen Hebel bedienen zu müssen. Was die Steuerbarkeit um alle drei Achsen angeht, so ist bei überdurchschnittlich kurzen Steuerwegen und angenehm geringen aufzuwendenden Kräften eine gute Ruderwirkung zu bescheinigen. Die zu hohe Empfindlichkeit um die Querachse wird - das steht schon fest - abgeändert. Wahrscheinlich liegt die hohe Empfindlichkeit zum Teil an zu geringen Handkräften und wohl auch an der Übersetzung. Die Stabilität um alle Achsen wirkt ausgeglichen, und Gegenstützen in Kurvenlage ist kaum erforderlich. Angenehm ist die Handhaltung am Knüppelgriff, und zwar - auch hier wieder wie bei allen Typen aus dem gleichen Hause - nicht nur, weil ein handlicher Griff eingebaut ist, sondern auch, weil die Parallelstellung bei der Bedienung des Höhensteuers erhalten bleibt. Der Stoppuhr bleiben im Schnitt 3 Sekunden, um die Kurvenwechselzeit von 45° zu 45° zu registrieren. Das ist ein normaler Wert für eine moderne Standardmaschine. Mehr dürfte es nicht sein, und da ich auch beim Aus- und Einleiten bei feststehendem Knüppel nur normales Verhalten und Standardzeiten feststellen konnte, machte ich mich gleich an einen langen Slip. Ohne Klappen ist er nur flach durchzuhalten und bringt im Mittel 3 m/s Sinkgeschwindigkeit. Mit voll gefahrenen Klappen kann man etwas mehr Schräglage erzielen, und bei 80 km/h zeigt das Variometer dann mehr als 8 m/s. Ich hätte das genau mit Höhenmesser und Stoppuhr messen können, aber dafür war mir die Höhe zu schade, und außerdem sind die Klappen so wirksam, daß man wohl den Slip kaum brauchen wird. Die große Wirksamkeit der Klappen kannte ich aber bisher nur vom Hörensagen, und so wollte ich sie nun selbst aus der guten Ausgangshöhe ausgiebig erproben. Da die Klappen so stark wirken sollen, daß nicht nur eine sichere Endgeschwindigkeit damit zu halten ist, sondern außerdem noch bei hohen Geschwindigkeiten voll und schnell damit operiert werden kann, um gefährlichen Lagen zu begegnen, war ich an dieser Phase besonders interessiert. Auch Auftriebssprünge in den negativen Bereich würden bei diesen Klappen nicht auftreten, jedoch wäre ein sehr großer Widerstandszuwachs bei der Regulierung erreicht worden. Die außerordentlich widerstandsarmen Zellen der heutigen GFK-Hochleistungsflugzeuge brauchen derartige Hilfen nicht nur in Notfällen, die ja selten sind, sondern auch bei jeder Landung, entsprechen doch die hohen Gleitzahlen der Standardmaschinen von 38 schon einem Gleitwinkel von nur etwa 1,5° und diejenigen der Superorchideen der Offenen Klasse von 50 einem Winkel von weniger als 1°. Ohne unsere wirksamen Klappensysteme wären für die Landung Flughäfen notwendig und Außenlandungen ohne schwere Schäden eine Illusion. Zunächst wollte ich noch das Verhalten beim Überziehen und Trudeln untersuchen. Beim Vermindern der Fahrt bis zur Abreißgeschwindigkeit von 60 km/h bleibt die Fluglage verhältnismäßig flach, bis die Libelle anfängt, zunächst um Hoch- und Querachse etwas zu schaukeln, ohne sich für eine Seite zu entschließen. Dieser Vorgang zieht sich so lange hin, bis ein Schütteln im Leitwerk und Geräusche auftreten, die ein Abreißen der Strömung am Flügel-Rumpfübergang vermuten lassen. Dann taucht sie endlich - nicht sehr steil und nach irgend einer Seite -weg, um schnell Fahrt aufzunehmen. Wenn man sie ins Trudeln bringen will, muß man schon brutal alle Register ziehen. So nahm ich den Vogel steil aus höherer Fahrt heran und trat ins Seitensteuer. Die Folge war nun ein entschlossenes Drehen in die gewünschte Richtung. Nur unwillig wurde jedoch eine echte Trudelbewegung von etwa einer Umdrehung eingeleitet. Danach geht die Libelle trotz voll gehaltener Steuer in den Spiralsturz und dreht dabei schnell. Die Fahrtaufnahme hierbei ist sehr stark, so daß das sofortige Ziehen der Bremsklappen zu empfehlen ist. Ich machte noch mehrere Versuche nach beiden Seiten, ohne daß ich ein gefährliches Verhalten feststellen konnte. In jedem Falle läßt sich die eingeleitete Bewegung augenblicklich, ohne Kraftaufwand und allein schon durch Neutralstellung der Steuer unterbrechen. Die Reaktionen sind hervorragend. Allerdings zeigt sich hierbei einmal mehr, daß die vom Werk schon geplante Abschwächung der Höhensteuerwirksamkeit wichtig ist, denn ein Abfangen aus solchen Lagen ist schon bei schwächer reagierenden Flugzeugen nur mit Besonnenheit vorzunehmen. Da ich nach diesem Programm bereits zu viel Höhe verloren hatte, um auch noch die Wirkung der Bremsklappen im Sturzflug und die Endgeschwindigkeit zu erfliegen, verschob ich diesen Punkt auf den nächsten Flug. Ich konnte aber noch einige Trudelversuche mit Klappenstellungen von 15° bis 60° anschließen. Bei der Vmin von etwa 60 km/h lag die Libelle noch ruhiger als ohne Klappenausschlag und schaukelte bedächtig. Hierbei ist auch der Anstellwinkel etwas geringer als mit Stellung 0°, was durch die Bauart der Drehklappen an der Flügelhinterkante hervorgerufen wird. Es gelang mir nicht, das Flugzeug ins Trudeln zu bringen, auch nicht durch rigorose Ruderausschläge oder sehr steiles Einleiten. In jedem Fall aber blieben bei der Abreißgeschwindigkeit alle Ruder noch wirksam, und am liebsten ging das Flugzeug nahezu geradeaus auf die Nase, um Fahrt aufzunehmen. Auch dieses Verhalten ist im klassischen Sinn als harmlos zu bezeichnen.
Es ist eine große Leistung der Konstrukteure unserer modernen Hochleistungssegelflugzeuge, daß sie es fertiggebracht haben, trotz exzellenter Leistungen auch noch gute Eigenschaften in diese Renner hineinzukonstruieren, und zwar auch noch für extreme Fluglagen. Inzwischen war ich unter 1000 m über Platzhöhe angelangt, so daß ich mich etwas um vertikale Strömungen kümmern mußte. Nur über der Stadt konnte ich einige dünne Schlierenbildungen erkennen, sonst war der Himmel wolkenlos. Wohl ausgetrimmt, ließ ich die Libelle allein auf dem Kurs; ich hatte die Füße von den Pedalen und die Hand vom Knüppel genommen. Ein leichtes Schaukeln verriet meinen Einflug in die Zone, von der ich noch genügend Labilität durch die Einstrahlung der Septembersonne erhoffte. Schließlich fand ich auch die einzige Stelle, aber der Bart war nicht etwa groß, sondern eng undruppig. Das Vario zeigte im Schnitt 0,5 m/s. So wollte ich schon zufrieden sein, wenn es nur aufwärts ging! Ich hielt eine Schräglage von 45° und konnte dabei gerade noch 80 bis 85 km/h halten. Das erforderliche Gegenstützen ist dabei so gering, daß man es kaum registriert, und das Flugzeug liegt stabil. Schließlich wurde es immer ruppiger, und ich konnte mich nur noch mit etwa 60° halten. Die dazugehörige Fahrt muß dabei je nach Turbulenz 95 bis 100 km/h betragen, aber auch hierbei zirkelt die Maschine ohne Mühe und liegt gleichmäßig. Leider hörte der Bart in 1200 m auf, und als ich mich in der Gegend nach anderen Möglichkeiten umsah, entdeckte ich ein einziges Cumulus-Baby über einer langen Waldkante. Ich machte mich entschlossen auf die Reise. Die Libelle nimmt schnell Fahrt auf, was aber kaum durch erhöhte Geräusche begleitet wird. So konnte ich bei angezeigten 120 km/h kaum einen Geräusch-Unterschied wahrnehmen. Unter den Cumulusfetzen angekommen, ging ich auf Suchfahrt und erwischte einen recht gleichmäßigen und wesentlich ruhigeren Bart mit 1,5 m/s, so daß ich nun mit 75 km/h bei 30° Schräglage kurbeln konnte. In jedem Falle bedeuten Ausgleichbewegungen - auch in zerrissenen Aufwindfeldern - wegen der guten Reaktion bei nur kleinen Ausschlägen und geringem Kraftaufwand nur wenig Arbeit für den Piloten. Bei der gleichzeitig angenehmen Halbliegestellung des Körpers ist daher einer Ermüdung des Piloten selbst bei langen Flügen weitgehend vorgebeugt. Hierzu tragen auch die Parallelführung des Knüppels für Höhensteuerbewegungen und die Trimmung in angenehmer Weise bei, denn es liegt alles in einer Hand! Ich hatte übrigens Glück mit der Wahl meines Aufwindgebietes, denn ich konnte mich einige Stunden in dieser Gegend herumtreiben, so daß mir genügend Zeit blieb, mich richtig auf dem Vogel warmzufliegen. Als angenehm empfand ich die Auslegung der beiden inneren Seitenverkleidungen der Gestänge mit abgerundeten Kanten in Form und Höhe von Armlehnen, die die Bequemlichkeit noch erhöhen. Auch die so wichtige Lüftung erweist sich bei der Libelle als überdurchschnittlich gut, mußte ich doch während aller Flüge ausgiebig davon Gebrauch machen, denn ich flog ja ständig in wolkenlosem Himmel. Die Regulierung kann durch einen Zugknopf am Instrumentenbrett exaktvorgenommen werden. Auf dem Rückweg zum Platz passierte ich noch einmal den Bereich über der Stadt, aber es war kein Aufwind mehr zu entdecken. Den Anflug zur Landung legte ich bewußt konventionell aus, denn ich hatte noch mehrere Flüge vor, bei denen ich die Landeanflüge dann wesentlich steiler vornehmen wollte. Das Ausfahren des Fahrwerks ist - wie das Einfahren - kräftemäßig ein Kinderspiel. Der Klappenhebel beim Prototyp hatte noch eine Rasteneinteilung für die Erprobung: 0°, 15°, 30°, 45°, 60°. Bei einer Serienausführung wird aber eine stufenlose Regulierung vorgesehen. Beim zügigen Ausfahren bis 60° macht sich kaum eine Änderung des Geräuschs bemerkbar, wohl aber ein geringes Schütteln, besonders wenn die Fahrt dabei über 90 km/h gesteigert wird. Das ist kein Wunder, denn die abreißende Strömung über einer so breiten und langen Fläche muß sich ja bemerkbar machen.
Ein Sprung bezüglich der Auftriebswerte ist nicht festzustellen, auch dann nicht, wenn die Klappen aus 60° wieder voll zurückgenommen werden, vorausgesetzt, die Fahrt beträgt noch mehr als 75 km/h. Ebensowenig macht sich eine Lastigkeitsänderung bemerkbar, so daß nicht getrimmt werden muß. Für einen normalen Anflug sind 90 km/h und Klappenstellungen zwischen 45° und 60° zu empfehlen, und es ist festzustellen, daß die Übergänge bei einer nötigen Regulierung weich vonstatten gehen. Da die Libelle als Mitteldecker ausgelegt ist, kommt natürlich vor dem Aufsetzen ein gewisser Bodeneffekt zum Tragen, der auf die Auslegung der Klappen zurückzuführen ist. Bei Landungen auf kleinen Plätzen oder Außenlandungen muß man diese Tatsache mit einkalkulieren, da sie bei den normalen Bremsklappen kaum auftritt. Allerdings kann aufgrund der weniger gestörten Auftriebsverhältnisse auch langsamer angeflogen und ausgeschwebt werden, was als ausgleichender Faktor zählt.
Hinterkantendrehklappe im Detail - ausgefahren auf 60°
Jedenfalls sind die Landeeigenschaften der Standard-Libelle als besonders gut zu bezeichnen. Hierzu trägt auch noch die außerordentlich gut wirkende Innenbackenbremse des 400x4-Rades bei. Es ist die normale Tostbremse, die aber vom Werk vor der Auslieferung der Maschine eingeschliffen wird, damit sie auf der ganzen Fläche voll trägt. Auch der Bremshebel liegt günstig Am selben und am nächsten Tage machte ich noch einige Flüge, besonders um die Bremsklappen genauer in ihrem Wirkungsgrad zu untersuchen und die Endgeschwindigkeit zu erfliegen. Hierbei registrierte ich bei Klappenstellung 15° und 100 km/h eine Sinkrate von 2 m/s. Bei 30° und 90 km/h waren es 3 m/s. Da sich 90 km/h als die günstigste Geschwindigkeit für einen normalen Anflug herausstellten, gebe ich hier nur noch Werte bei dieser Geschwindigkeit an: So ergab sich bei 45° eine Anzeige von 4 m/s und von 5 m/s bei 60° Klappenstellung. Diese Werte lassen die guten Eigenschaften bei der Gleitwinkelsteuerung erkennen, denn es ist eine gut steuerbare, gleichmäßig zu steigernde Sinkrate feststellbar, und auch die Handkräfte zur Betätigung des Klappenhebels sind niedrig genug, um eine genaue Dosierung durchzuführen. Sprünge im Handkraftverlauf, wie sie bei anderen Systemen auftreten, gibt es nicht. Abermals hochgeschleppt auf 1000 m über Landekreuz, setzte ich sofort nach dem Ausklinken zu einem sehr steilen Anflug für eine Ziellandung an. Fahrwerk aus und Klappen voll auf 60°, ging ich in einem steilen Winkel von etwa 45° nach unten; 140 km/h zeigte dabei der Fahrtmesser an. In nur einer großen 360°-Kurve wollte ich mich genau an das Landekreuz heranschieben, aber ich hatte die Wirkung der Klappen erheblich unterschätzt und mußte nun sehr eng herum. Die 60° mußten auf 15° reduziert und gleichzeitig der Abstiegwinkel abgeflacht werden, um überhaupt noch zu meinem Zielfeld zu kommen. Beim zweiten Versuch dieser Art war ich schon wesentlich kecker und flog erheblich enger, mußte aber wieder abflachen und erkennen, daß diese neuen Klappen auch ein neues Schätzvermögen verlangen. Erst beim dritten Versuch war ich sicher, nun alles voll ausnutzen zu können, und das gab dann tatsächlich einen kleinen Rekord: Aus 1200 m über Landekreuz stieg ich in einer engen 360°-Kurve mit 160 km/h sehr steil ab, Fahrwerk draußen und Klappen immer voll auf 60° bis zum Aufsetzen, das mit etwa 60 km/h genau am vorgewählten Punkt erfolgte. Beim Start zu diesem steilen Abstieg hatte ich meine Stoppuhr gedrückt, und ich stoppte abermals, nachdem ich mit hartem Bremsen ausgerollt war und die Flügelspitze im Stand den Boden berührt hatte: 52 Sekunden! Nun ist natürlich zu sagen, daß solche Anflüge nicht typisch für den Leistungssegelflug sind, aber es zeigt sich hierbei eben, wie genau und stark man die Landehilfen einsetzen kann, wenn es für Außenlandungen nötig wird. Und jeder Wettbewerbsflieger weiß, wie das die Nerven schont! Bei einem dieser Flüge mit Ausklinkhöhe 3200 m nahm ich sofort die Klappen auf 60° und erreichte erst bei einem Sturzwinkel von etwa 90° die Endgeschwindigkeit von 200 km/h. Beim Erreichen dieser Marke hatte ich bereits 500 m Höhenverlust und drehte dann 360° um die Längsachse, um meinen Sturzwinkel zu überprüfen, denn selbst wenn man hierin Übung hat, verschätzt man sich gern und glaubt, schon negativ zu stürzen. In dieser Lage neigt die Maschine nicht dazu, selbständig zu drehen, und sie liegt völlig ruhig. Nur ein Schütteln zeigt an, daß man eine ungeheure Wirbelschleppe erzeugt. Lastigkeitsänderungen sind kaum spürbar. In 1500 m angekommen, fing ich behutsam ab und fuhr danach die Klappen ein, um den Vogel flach nach oben schießen zu lassen. Ich beobachtete zwischen 200 und 250 km/h die Flügeldurchbiegung und muß sagen, daß sie mir geringer vorkam als bei der Standard-Libelle 201. Das gilt besonders im Sturz bei 200 km/h mit voll gefahrenen Klappen und ist wohl auf die versteifende Wirkung der querstehenden, in langen Scharnierbändern aufgehängten Bremsklappen zurückzuführen.
Insgesamt habe ich nur einen Teil der erflognen Daten hier aufgeführt, besonders solche, die besonders repräsentativ sind und typische Vergleiche zu anderen Bremsklappensystemen ermöglichen. Zusammenfassend ist zu sage daß die neue Standard-Libelle für die zum Zeitpunkt der Testflüge geltenden Bestimmungen eine ausgezeichnete Auslegung hat, wobei die große Erfahrung mit allen bei Glasflügel gebauten GFK-Hochleistungs- Segelflugzeugen voll genutzt wurde. Bezüglich des Bremsklappensystems ist man keine ungünstigen Komprimisse eingegangen. Das typische Cockpit mit seinem reichhaltigem aber wohlgeordneten Inventar an Bedienhebeln und Knöpfen ist Spitzenklasse - wie immer bei Glasflügel.
Blick in das Cockpit der H 204, links der Bremsklappenhebel, rechts unter dem Microphon der Fahrwerkshebel
Das gilt generell auch für die Sitzposition des Piloten. Es wurde auch dafür gesorgt, daß trotz grossen Haubenfläche ausreichender Schutz gegen Sonneneinstrahlung durch die volle Abdeckung des Instrumente bereichs gewährleistet ist. Auf die Weise wird einer Ermüdung des Piloten am besten entgegengewirkt denn beim heutigen Niveau des Leistungssegelflugs sind achtstündige Flüge durchaus normal. Trotz der Raumknappheit in den kleinen Rümpfen der heutigen Standardklasse-Flugzeuge wurde serienmässig alles zur Unterbringung von sätzlicher Ausrüstung vorgesehen: Batterie, Funkgerät, Höhenschreiber und komplette O2-Anlage einschlieslich aller Leitungen und Anschlüsse. Als wichtigstes aber hat das Konstrukteurteam der Maschine gute, ausgeglichene Flugeigensohaften und gute Flugleistungen mitgegeben. Leistungen mit der Tendenz für Standardklasse, schnell zu sein, die leicht genug zu fliegen, damit weltweite Verbreitung sich wie hgr fortsetzen kann. Das Flugzeug hat ausgezeichnete Landeeigenschaften und ist am Boden handlich, wobei die hervorragende Montagefähigkeit besonderes Lob verdient. Obwohl die vielen Segelflieger aller Welt mit ihren Libellen zufrieden sind, wie die vielen Spitzenplätze bei Segelflugwettbewerben und die Rekordleistungen weisen, wissen wir aber - und nicht zuletzt die Firma Glasflügel Schlattstall -, daß man eine Standard-Libelle seit langem erwartet. Sie wird kommen, ob in dieser Auslegung, das ist noch nicht beschlossen denn das ist von internationalen Entscheidungen abhängig, die kaum zu beeinflussen sind. In jedem Fall erwartet man im Jahre 1974 die Bestellung für die 600. Standard-Libelle, denn die Nachfrage hält an. Aber wie auch die Entscheidung für die Serie fallen wird: Es ist sicher, die Standard-Libelle 204 muss zur absoluten Spitzenklasse der Standardmaschinen gerechnet werden muss. Dabei um einige Nasenlängen vor der bisherigen, berühmten Standard Libelle.

Technische Daten und Leistungsangaben Glasflügel H204 (Prototyp)

Einsitziger, freitragender Mittel-Schulterdecker für Leistungssegelflug.

Flügel: Zweiteiliger Doppeltrapezflügel, Holme mit Gurten aus parallelen Glasfasern und GFK-armierten Balsastegen, GFK-Schaum-Schale, Zunge-Gabel-Anschluß, als Flügelhinterkanten-Drehklappen ausgelegte Bremsklappen.
Rumpf: Reine GFK-Schale mit eingeharzten GFK-Hohlprofilen, zwei getrennte Seilkupplungen.
Leitwerk: Gedämpftes T-Leitwerk mit Federtrimmung, Seitenleitwerk reine GFK-Schale, Höhenleitwerk GFK-Schaumschale, Antenne in Sei-tenflosse.
Fahrwerk: Einziehbares Rad 4.00-4, mechanische Innenbackenbremse, starres Spornrad.
Spannweite 15 m
Länge 6,4 m
Höhe 1,37 m
Flügelfläche 9,8 m2
Streckung 23
Rüstgewicht 210 kg
max. Zuladung 128 kg
max. Ballast 70 kg
max. Fluggewicht mit Ballast 380 kg
Flächenbelastung ohne Ballast etwa 29 kg/m2
Flächenbelastung mit Ballast etwa 39 kg/m2
höchstzulässige Geschwindigkeit
bei jedem Wetter 250 km/h
Mindestgeschwindigkeit 62 km/h
geringstes Sinken bei 73 km/h 0,6 m/s
beste Gleitzahl (15m) 38